Ressort: II
Schlagworte: Parlament/Palais Epstein/Fischer                            STARTSEITE
PARLAMENTSKORRESPONDENZ/08/05.04.2002/Nr. 237
 
"PALAIS EPSTEIN WIRD SCHÖNER, ALS ES IM 20. JAHRHUNDERT JE WAR" 

Fischer: Nutzung als 2. Haus der Volksvertretung beginnt 2004

Wien (PK) - Ab 2004 wird das Palais Epstein als "2. Haus der Volksvertretung" genutzt werden. Bis dahin wird es durch behutsame Adaptierungen nach einem europaweit ausgeschriebenen Architekturwettbewerb auf die neue Zweckwidmung vorbereitet. "Das Palais Epstein wird schöner, als es je im 20. Jahrhundert war, und seinem Zweck Ehre machen". Das erklärte heute Nationalratspräsident Heinz Fischer bei einer von der Bundes-Immobiliengesellschaft veranstalteten Pressekonferenz im Palais Epstein. Zur Diskussion um ein "Haus der Geschichte" sagte Fischer, er sei sehr für ein solches Haus; man sollte aber einen Standort suchen, der disponibel ist. Es schade dem Gedanken eines Hauses der Geschichte, wenn man sich auf einen Standort konzentriere, der "nicht frei" sei. 

Der Nationalratspräsident rekapitulierte eingangs der Pressekonferenz die Vorgeschichte und stellte sie in einen Zusammenhang zu seinen Bemühungen um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Mandatare. Für die Demokratie sei es wichtig, sagte Fischer, dass die Abgeordneten - und nicht nur die Regierungsmitglieder - bestmögliche Arbeitsbedingungen haben. Österreich wolle sich dabei nicht mit Deutschland, Frankreich oder Großbritannien messen, es sollte aber auch nicht zu weit hinter Finnland, Dänemark und Portugal zurückfallen. Damit jedem Abgeordneten "wenigstens ein Schreibtisch" zur Verfügung gestellt werden könne, habe man in den 90er Jahren Räumlichkeiten in Parlamentsnähe angemietet. In dem Maße, in dem zukünftig im Palais Epstein Raum zugewonnen werde, könnten diese - zum Teil mit hohen Mieten verbundenen - Räumlichkeiten aufgegeben werden. 

In der 2. Hälfte der 90er Jahre sei bekannt geworden, dass das Palais Epstein frei werde. Eine andere Nachfrage habe es nicht gegeben, weder ein Bundes- noch ein kommunaler Bedarf sei angemeldet worden, ja es seien sogar Schritte zum Verkauf des Hauses vorbereitet worden. Es sei, wie Fischer sagte, für das Parlament eine "einmalige Chance" gewesen, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Parlament ein Haus zu haben, das aus der gleichen Zeit und vom gleichen Architekten - Theophil Hansen - stammt, und dieses Haus "für Zwecke der Demokratie und des Parlamentarismus" zu nutzen. Diese Absicht sei durch ein Gutachten des Rechnungshofs gestützt worden, wonach eine entsprechende Nutzung auch kostengünstig sei. Er, Fischer, habe daher die Präsidialkonferenz des Nationalrats - in der damals fünf Fraktionen vertreten waren - mit der Sache befasst und sei mit dem Konzept auf einhellige Zustimmung gestoßen. An dieser Zustimmung habe sich nichts geändert, betonte Fischer. 

Im Februar 1999 wurde das Palais Epstein dann durch einstimmigen Beschluss des Nationalrats an die Bundes-Immobiliengesellschaft übertragen. Die Sache sei damit "auf einer soliden Schiene, ohne Alternative und ohne Kritik" gewesen, sagte Fischer weiter. Erst später habe es "andere Ideen" gegeben. Er unterstütze die Idee eines "Hauses der Geschichte"; es sollte dafür die beste, kostengünstigste Lösung ausgesucht werden - aber nicht im Rathaus, nicht auf dem Ballhausplatz, nicht im Burgtheater, denn diese Standorte seien ebenso wenig frei wie das Parlament. 

Besorgt zeigte sich der Nationalratspräsident, dass man beginne, die Nutzung des Palais Epstein für Zwecke des Parlaments als "Tintenburg für die Parlamentsbürokratie" schlecht zu machen; Beamte, Faxgeräte und Schreibmaschinen gebe es "auch anderswo". Die Nutzung für Zwecke des Parlaments sei legitim wie für andere Zwecke auch, und er habe die Sorge, dass mit der genannten Kritik "auf antiparlamentarische Zwecke hingearbeitet" werde. Das Epstein werde jedenfalls kein "Bürokratietempel", sondern sei "das 2. Haus der Volksvertretung", was auch an der zukünftigen Nutzung abzulesen sei: etwa je ein Viertel für Mandatare und Sitzungsräumlichkeiten bzw. Archive, zur Hälfte für MitarbeiterInnen und Verwaltung. Der einzige Unterschied zum Parlamentsgebäude werde sein, dass das Epstein nicht über Plenarsäle verfüge. Zudem werde die Öffentlichkeit mehr Zugangsmöglichkeiten zum Haus haben als zu Zeiten der Nutzung durch den Wiener Stadtschulrat, betonte Fischer. 

Die nächsten Schritte zur parlamentarischen Nutzung des Palais Epstein stellte dann der Präsident der Architektenkammer, Peter Scheifinger, vor. Nach einer denkmalbezogenen Bestandsaufnahme und auf der Grundlage einer detaillierten Aufgabenstellung würden bis 12. Juni 2002 Vorschläge für eine vorsichtige bauliche Adaptierung - ohne Eingriff in die Bausubstanz und unter Beseitigung der Bausünden der Vergangenheit - gesucht. Anfang Juli werde eine Jury - der Nationalratspräsident Fischer, Parlamentsvizedirektor Sigurd Bauer, BIG-Geschäftsführer Gerhard Buresch sowie die Architekten Manfred Wehdorn, Peter Scheifinger und Boris Podrecca angehören - die Preisträger ermitteln. Ein Jahr ist für die Planungsarbeiten vorgesehen, für die Adaptierung selbst werden 18 bis 21 Monate veranschlagt. 

Das Palais an der Adresse Dr. Karl Renner-Ring 1 wurde in den Jahren 1868 bis 1871 nach Plänen von Theophil Hansen für den Bankier Gustav Ritter von Epstein erbaut. Die Bauaufsicht führte Otto Wagner. 1883 ging das Palais in den Besitz der Continental-Gas-Association über, die es 1902 an den Verwaltungsgerichtshof verkaufte. Der Wiener Stadtschulrat zog 1922 in das Haus ein. Von 1938 bis 1945 war in dem Palais das Reichsbauamt untergebracht, anschließend - bis 1955 - die Zentralkommandantur der sowjetischen Besatzungsmacht. 1958 zog der Wiener Stadtschulrat zum zweiten Mal in das Palais ein. Ab 2004 wird das Palais Epstein als das "2. Haus der Volksvertretung" fungieren. (Schluss) 

http://www.parlinkom.gv.at/pd/pk/2002/PK0237.html
                                STARTSEITE  
---------------------------------------------------------------------------
HTML-Dokument am 05.04.2002/13:25:22 erstellt.