12.Februar - Gemeinsames Erinnern

 Trautl Brandstaller

Mitten in den  Scharmützeln  beginnender Landtags- und Präsidentschaftswahlkämpfe ist eine positive Nachricht – fast eine kleine Sensation – zu vermelden. Siebzig Jahre nach “den Ereignissen“, wie es in der Einladung  heißt, laden  die beiden Nationalratspräsidenten Andreas Khol und Heinz Fischer gemeinsam zu einem Symposium im Parlament. Beide großen Parteien, Sozialdemokraten wie Konservative, kündigen damit eine Änderung ihres politischen Selbstverständnisses an. Die Sozialdemokraten, die  den 12. Februar bislang gern zur Heldenehrung der gesamten Partei umwidmeten, könnten  zur Einsicht gelangen, dass nicht d i e Partei, sondern  Gruppen von Schutzbündlern, ohne  Unterstützung der Gesamtpartei, gegen Dollfuß kämpften.   Die ÖVP , die bis vor kurzem am Jahrestag des Bürgerkriegs eher schwieg und die 1933 schrittweise erfolgte Abschaffung der Demokratie in Abrede stellte, könnte ihrerseits einbekennen, dass das Hochspielen einer Bürgerkriegsgefahr ein überzogenes Propagandamanöver war und  die Hinrichtung der Anführer auch massive antisozialistische Ressentiments befriedigte. Für die ÖVP ist daher der Schritt zu einem gemeinsamen Bewusstsein  größer, sie muss mehr  Schuld ihrer christlich-sozialen Vorgänger einbekennen. Aber auch für die SPÖ ist das Abrücken von der Heroisierung der Gesamtpartei eine nicht zu unterschätzende  Herausforderung. 

Historische Fehler und Versäumnisse  zu erkennen , ist die Voraussetzung für eine gemeinsame Sicht der Ersten Republik, die bis heute fehlt. Die Forschungen der Zeitgeschichtler, die die Vorgeschichte der politischen Konflikte der Ersten Republik untersucht haben,  sind noch  nicht im öffentlichen Bewusstsein verankert. Das gemeinsame Symposium ist damit vielleicht  ein  Indiz, dass auch das lange diskutierte „Haus der Geschichte“ im parteienübergreifenden Konsens  geschaffen werden kann.

"Die Furche" 5/2004